Als die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH im Jahr 2011 den Wohnkomplex an der Harzer Straße erwarb, hatte niemand in dem katholischen Unternehmen damit gerechnet, welche Wellen dieses Engagement schlagen würde. Zweieinhalb Jahre später führt der Projektleiter ganze Gruppen internationaler Journalisten durch die acht sanierten Häuser in Berlin-Neukölln, in denen 90 Roma-Familien leben. Die Reihe der Besucher, die sich seit dem Sommer 2011 vor Ort informieren wollten über das „Leuchtturm-Projekt der Integration“, wie es unter anderem von der Presse tituliert wurde, sie ist mittlerweile lang und prominent. Jüngst besuchte die Bundesbauministerin Barbara Hendricks die Häuser. Am Ende des Rundgangs zeigte sie sich beeindruckt und sagte: „Mit ihrem Wohnungsunternehmen haben sie vor Ort ein sichtbares Stück Stadtentwicklung betrieben, eine wohnungswirtschaftliche Aufgabe hervorragend gemeistert – und dadurch die Situation für Hunderte Armutsflüchtlinge deutlich verbessert.“
Jeden der Gäste führt der Leiter des Projekts, Benjamin Marx unter dem Herz hindurch, das in einem der Gemeinschaftsräume von der Decke herabhängt. Dern Künstler Gerhard Bär hatte es während der Sanierungsphase zusammen mit den Kindern des Arnold-Fortuin-Hauses aus Plastikabfällen geschaffen. An der Wand dahinter steht in großen roten Buchstaben AMOR – rückwärts gelesen ROMA. Das Menschenrecht auf eine lebenswerte Wohnung muss eingelöst werden. In unserem reichen Land zumal. Dieser Ansicht ist die Aachener SWG. Die Resonanz bei den Medien weit über die Landesgrenzen hinaus, in der Politik und bei gesellschaftlichen Institutionen lässt nur einen Schluss zu: Offenbar glaubte kaum jemand mehr daran, dass man mit Arbeit, Fleiß und guter Gesinnung eine äußerst verfahrene Situation wenden kann. Dass man Schrottimmobilien in lebenswerte Orte verwandeln und armen, bildungsfernen Osteuropäern – in diesem Fall Roma – die Chance auf eine Zukunft inmitten unserer Gesellschaft eröffnen kann. Die Aachener SWG hat es vorgemacht. „Das Roma-Wohnprojekt setzt Maßstäbe“ schrieb die Berliner Woche im September 2012. Die Aachener SWG bleibt bescheidener. „Zunächst einmal haben wir nichts besonderes, sondern nur unsere Arbeit gemacht. Aber als katholisches Untenehmen hatten wir den Ehrgeiz, hier exemplarisch zu zeigen, wie Integration funktionieren kann“, meint Marx.
Als die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH im Jahr 2011 den Wohnkomplex an der Harzer Straße erwarb, hatte niemand in dem katholischen Unternehmen damit gerechnet, welche Wellen dieses Engagement schlagen würde. Zweieinhalb Jahre später führt der Projektleiter ganze Gruppen internationaler Journalisten durch die acht sanierten Häuser in Berlin-Neukölln, in denen 90 Roma-Familien leben.
Wohnbau ist Dombau. Dieser Ansicht war der Aachener Bischof Johannes van der Velden (1891-1954) bei der Gründung der Aachener SWG. Und nach 65 Jahren Erfahrungen in der Wohnungswirtschaft ist das Unternehmen diesem Wahlspruch immer noch verpflichtet. Bei jedem Projekt die ökonomischen, ökologischen und sozialen Belange in Einklang zu bringen – dies ist das Gebot der Stunde für eine lebenswerte Zukunft.
Für Benjamin Marx war das Projekt Harzer Straße von Anfang an eine Herzensangelegenheit. Der 59-Jährige managt seit vielen Jahren den Ankauf von Wohnhäusern für die Aachener SWG. In Berlin ist Marx seit 2006 damit beschäftigt. In Illingen im Saarland geboren und aufgewachsen, lebt der studierte Psychologe seit vielen Jahren in Köln.
Sein Porträt schmückt die Fassade eines der Häuser an der Straße. Der aus dem Saarland stammende Arnold Fortuin (1901-1970) war ein Priester, der sich im „Dritten Reich“ für Sinti und Roma eingesetzt hatte. Hunderte bewahrte er vor dem Gastod im Konzentrationslager. Nachdem überlebende Sinti in den 1950er-Jahren wieder Kontakt zu Fortuin aufgenommen hatten, fand 1955 die erste „Zigeunerwallfahrt“ zur Bergkapelle in Illingen statt
Acht Häuser aus der Gründerzeit, 7500 Quadratmeter Wohnfläche, 137 Wohnungen, bis zu 1200 Menschen. Das Exposé für den Wohnkomplex Harzer Straße Ecke Treptower erhielt Marx im Mai 2011. Sein Eindruck bei einem ersten Besuch ohne Makler: Die Türen offen, vernagelte Fensterscheiben, in manche war Folie geklebt. Ich sah 40 Quadratmeter große Wohnungen, in denen bis zu 20 Matratzen lagen.
80 Prozent der Bewohner des Arnold-Fortuin-Hauses stammen aus Fântânele, einem Dorf rund 1332 Kilometer südöstlich von Berlin und 35 Kilometer nordwestlich der rumänischen Hauptstadt Bukarest. Marx war im September 2012 dorthin gereist, um sich die Lebenssituation im Herkunftsland anzusehen und fand gut strukturierte aber ärmliche Verhältnisse vor.
Seit dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens im Jahr 2007 sind 20 000 Roma in Berlin angekommen. „Besonders seit 2009 beobachten die Behörden einen extremen Zuzug aus Rumänien und Bulgarien in die Hauptstadt“, schreibt Die Welt am 18.4.2012. Rund 10 000 Einwanderer von ihnen reisten nach Berlin-Neukölln, zumeist kinderreiche Roma-Familien. Der Stadtbezirk schaffte Schulklassen für die Kinder der Roma. 90 Prozent von ihnen besuchen die Schule.
„Noch 2011 glaubte die Bundesregierung, eine nationale Roma-Strategie sei nicht nötig. Dabei war nach dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens absehbar, dass die Armen vom Balkan versuchen würden, in den Westen zu kommen – und zu bleiben.“ (MAZ 7.3.2013) Mittlerweile hat die Bundesregierung finanzielle Hilfen versprochen. Das seit 1999 bestehende Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“ soll von 40 Millionen Euro auf 150 Millionen Euro aufgestockt werden, versprach Bundesbauministerin Barbara Hendricks Ende Januar 2014.